Schimmelschäden in Mietwohnungen: Wer haftet und wie beweist man es?
Nov, 17 2025
Wenn in der Wohnung Schimmel auftritt, ist die erste Frage nicht: Schimmelschaden - sondern: Wer muss das bezahlen? Viele Mieter fürchten sich vor hohen Nachzahlungen, Vermieter vor teuren Sanierungen. Doch das Mietrecht gibt klare Regeln - wenn man sie kennt und richtig anwendet.
Wer ist verantwortlich - Mieter oder Vermieter?
Die einfache Antwort: Es kommt auf die Ursache an. Der Vermieter ist nach § 535 BGB verpflichtet, die Wohnung in einem vertragsgemäßen Zustand zu halten. Das bedeutet: Wenn der Schimmel durch bauliche Mängel entsteht, ist er verantwortlich. Das sind zum Beispiel undichte Dächer, feuchte Kellerwände, kaputte Rohre oder mangelhafte Dämmung.
Der Mieter hingegen muss für sein Verhalten haften. Wer zu wenig lüftet, Heizkörper hinter Möbeln versteckt oder Feuchtigkeit durch Kochen, Duschen oder Trocknen von Wäsche nicht abführt, trägt die Schuld. Der Bundesgerichtshof hat 2018 klargestellt: Bei Altbauten aus den 50er bis 70er Jahren haften Vermieter nicht für Schimmel durch Wärmebrücken, wenn die Bausubstanz damals den Standards entsprach. Das heißt: Ein Haus aus 1965 mit dicken Ziegelwänden und keiner Dämmung ist nicht automatisch mangelhaft - auch wenn es heute kälter ist.
Was zählt als baulicher Mangel?
Bauliche Ursachen sind oft schwer zu erkennen, aber leicht nachzuweisen. Dazu gehören:
- Risse im Außenmauerwerk, die Wasser eindringen lassen
- Defekte Dachrinnen oder undichte Fensterdichtungen
- Feuchtigkeit aus dem Keller oder Bodenplatte
- Fehlerhafte oder fehlende Wärmedämmung nach einer Sanierung
- Kondenswasser an Innenwänden durch unzureichende Isolierung
Ein Urteil des Amtsgerichts München 2021 (Az. 411 C 15821/20) hat gezeigt: Wenn ein Vermieter die Fassade sanieren lässt, aber die Dämmung falsch anbringt, haftet er - selbst wenn der Mieter danach nicht perfekt lüftet. Die Rechtsprechung hat sich verschärft: Seit 2023 erkennen Gerichte immer häufiger, dass energetische Sanierungen das Raumklima verändern - und der Vermieter dafür sorgen muss, dass das Wohnen danach noch gesund möglich ist.
Was macht der Mieter falsch?
Die meisten Schimmelfälle - laut der Deutschen Schimmelschutzvereinigung 78% - entstehen durch das Verhalten der Mieter. Das sind die häufigsten Fehler:
- Nur kurz das Fenster kippen, statt richtig zu stoßlüften
- Heizkörper hinter Möbeln oder Vorhängen verstecken
- Kein Abstand von 5-10 cm zwischen Möbeln und Außenwänden
- Wäsche in der Wohnung trocknen, ohne zu lüften
- Keine Raumluftfeuchtigkeit messen - und bei über 60 % nichts tun
Das Bundesministerium der Justiz empfiehlt seit 2023: Mindestens dreimal täglich für 5-10 Minuten komplett lüften. Das senkt die Luftfeuchtigkeit schnell und verhindert Kondenswasser an kalten Wänden. Wer das nicht macht, kann nicht behaupten, der Schimmel sei „von selbst“ entstanden.
Wie beweist man, wer schuld ist?
Ohne Beweise ist kein Gerichtsurteil möglich. Und hier liegt der große Fehler vieler Mieter: Sie warten, bis der Schimmel sichtbar ist - und dann schreiben sie eine E-Mail. Das reicht nicht.
Ein erfolgreicher Nachweis braucht drei Säulen:
- Fotos und Videos: Dokumentieren Sie den Schimmel von verschiedenen Winkeln, mit Datum und Uhrzeit. Machen Sie auch Aufnahmen von Wänden, die noch nicht betroffen sind - das zeigt den Verlauf.
- Lüftungstagebuch: Führen Sie ein einfaches Logbuch. Notieren Sie täglich, wann und wie lange Sie gelüftet haben. Ein Beispiel: „12.11.2025, 07:00 Uhr, 8 Min. Stoßlüften, Bad und Küche; 18:00 Uhr, 10 Min. gesamte Wohnung.“
- Hygrometer-Daten: Kaufen Sie ein billiges Luftfeuchtigkeitsmessgerät (ca. 15 €). Messen Sie zweimal täglich - morgens und abends - die relative Luftfeuchtigkeit. Wenn die Werte über 60 % liegen und Sie nicht lüften, ist das ein Hinweis auf Ihr Verhalten. Liegt die Luftfeuchtigkeit bei 70 % und Sie lüften regelmäßig? Dann könnte ein baulicher Mangel vorliegen.
Ein Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen kostet zwischen 450 und 900 Euro. Aber: Wer das Gutachten in Auftrag gibt, zahlt es erstmal selbst. Im Erfolgsfall - also wenn das Gericht Ihnen Recht gibt - muss der andere die Kosten übernehmen. Das hat der BGH 2021 klargestellt (Az. VIII ZR 123/20).
Was passiert bei Eigentumswohnungen?
Bei Eigentumswohnungen ist die Situation komplexer. Hier gilt: Wenn der Schimmel durch ein Problem im Gemeinschaftseigentum entsteht - etwa ein undichtes Dach, fehlerhafte Fassadendämmung oder kaputte Hausrohre - dann zahlt die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Die Kosten werden nach den Miteigentumsanteilen verteilt.
Wenn der Schimmel aber nur in Ihrer Wohnung auftritt und auf Ihr Verhalten zurückzuführen ist - etwa weil Sie Ihre Heizung ausgeschaltet haben oder Möbel an die Außenwand gestellt haben - dann haften Sie selbst. Auch hier gilt: Beweise sind entscheidend. Die WEG kann nicht einfach pauschal sagen: „Das ist Ihr Problem.“ Sie muss prüfen, ob es eine gemeinschaftliche Ursache gibt.
Mietminderung und Schadensersatz
Wenn der Schimmel mehr als 0,5 Quadratmeter betrifft und der Vermieter nach 14 Tagen nichts unternimmt, haben Sie ein Recht auf Mietminderung. Die Höhe liegt meist zwischen 10 und 30 %, je nach Ausmaß und Betroffenheit der Räume. Ein Schlafzimmer mit Schimmel ist schwerer zu tolerieren als ein kleiner Fleck im Bad.
Wenn Sie durch den Schimmel krank werden - etwa durch Atemwegsreizungen oder Allergien - können Sie auch Schadensersatz verlangen. Dafür brauchen Sie aber einen Arztbericht und einen Nachweis, dass die Krankheit direkt mit der Wohnung zusammenhängt. Das ist schwierig, aber nicht unmöglich.
Was Sie tun müssen - sofort
Wenn Sie Schimmel vermuten - oder sogar nur einen muffigen Geruch wahrnehmen - handeln Sie jetzt. Das Amtsgericht Frankfurt hat 2022 entschieden (Az. 321 C 1872/21): Bereits ein muffiger Geruch ist eine Anzeigepflicht. Wer wartet, riskiert, dass ihm später vorgeworfen wird, er habe den Schimmel verschlimmert.
So gehen Sie vor:
- Notieren Sie das Datum und machen Sie Fotos.
- Führen Sie ab sofort ein Lüftungstagebuch.
- Kaufe ein Hygrometer und messen Sie täglich.
- Informieren Sie den Vermieter schriftlich - per Einschreiben mit Rückschein.
- Halten Sie alle Möbel mindestens 10 cm von Außenwänden entfernt.
- Vermeiden Sie es, Wäsche in der Wohnung zu trocknen.
Wenn der Vermieter nicht reagiert, holen Sie ein Schimmelgutachten ein. Und wenn er Ihnen die Kosten aufbürdet, wenden Sie sich an den Deutschen Mieterbund. Sie haben nicht nur ein Recht - Sie haben auch die Mittel, es durchzusetzen.
Warum gewinnen Vermieter so oft?
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Laut einer Umfrage des Mieterbundes gewinnen Vermieter in 68 % der Fälle, wenn Mieter kein Lüftungstagebuch führen. Gleichzeitig gewinnen Mieter in 74 % der Fälle, wenn sie dokumentiert haben, wie sie gelüftet haben.
Das ist kein Zufall. Gerichte vertrauen Beweisen - nicht Behauptungen. Wer sagt „Ich lüfte doch!“, ohne Nachweis, verliert. Wer mit Zahlen, Fotos und Daten kommt, hat eine echte Chance.
Und denken Sie daran: Eine Hausratversicherung zahlt bei Schimmel nicht. Die Gebäudeversicherung des Vermieters hingegen übernimmt oft bis zu 85 % der Kosten, wenn es ein baulicher Mangel ist. Das ist ein wichtiger Hinweis: Wenn der Vermieter behauptet, er habe keine Versicherung, ist das ein Warnsignal.
Ausblick: Was ändert sich bis 2025?
Die Zahl der Schimmelklagen steigt. Die Deutsche Wohnungswirtschaft prognostiziert bis 2025 einen Anstieg um 18 %. Der Grund: Viele Altbauten werden energetisch saniert - aber oft ohne Rücksicht auf das Raumklima. Dämmung ohne Lüftungskonzept führt zu Feuchtigkeitsstau.
Die Bundesregierung plant deshalb, ab 2026 verbindliche Lüftungsempfehlungen in Mietverträge aufzunehmen. Das wird die Rechtslage klären - aber auch die Verantwortung des Mieters stärken. Wer den Vertrag unterschreibt, verpflichtet sich, regelmäßig zu lüften. Wer das nicht tut, kann nicht mehr sagen: „Ich wusste nicht, dass ich das muss.“
Die Botschaft ist klar: Schimmel ist kein Zufall. Er entsteht durch Handeln - oder Unterlassen. Wer versteht, wie er sich schützen kann, vermeidet nicht nur Streit - sondern auch Gesundheitsrisiken und hohe Kosten.
Kann ich die Miete mindern, wenn Schimmel in meiner Wohnung ist?
Ja, wenn der Schimmel mehr als 0,5 m² betrifft und der Vermieter nach 14 Tagen nicht handelt, können Sie die Miete um 10-30 % mindern. Die genaue Höhe hängt davon ab, wie stark die betroffenen Räume genutzt werden - ein Schlafzimmer mit Schimmel rechtfertigt eine höhere Minderung als ein kleiner Fleck im Flur.
Muss ich den Vermieter schriftlich informieren?
Ja, unbedingt. Mündliche Mitteilungen reichen nicht. Nutzen Sie immer ein Einschreiben mit Rückschein. Nur so haben Sie nachgewiesen, dass Sie den Mangel rechtzeitig angezeigt haben. Ein E-Mail reicht nicht, wenn es zu einem Rechtsstreit kommt.
Was passiert, wenn ich Schimmel nicht melde?
Wenn Sie Schimmel verschweigen, können Sie später dafür haftbar gemacht werden, dass der Schimmel größer wurde. Gerichte sehen das als Fahrlässigkeit an. Selbst wenn der Schimmel durch einen baulichen Mangel entstand, können Sie einen Teil der Kosten übernehmen, wenn Sie nicht rechtzeitig gehandelt haben.
Kann ich einen Schimmelgutachter selbst beauftragen?
Ja, und das ist oft die klügste Entscheidung. Ein unabhängiger Sachverständiger stellt fest, ob der Schimmel durch bauliche Mängel oder Mieterverhalten entstanden ist. Die Kosten (450-900 €) tragen Sie erstmal selbst - aber wenn Sie Recht bekommen, muss der Vermieter sie erstatten. Viele Mieter sparen so Geld und gewinnen den Prozess.
Zahlt die Hausratversicherung bei Schimmel?
Nein. Hausratversicherungen decken Schimmel an sich nicht ab - es sei denn, er entsteht durch einen versicherten Wasserschaden (z. B. Rohrbruch). Aber selbst dann zahlen sie nur die beschädigten Möbel, nicht die Sanierung der Wand. Schimmel durch Feuchtigkeit aus Lüftungsverhalten ist ausgeschlossen.
Was tun, wenn der Vermieter mir die Kosten aufbürdet?
Fordern Sie einen schriftlichen Nachweis, warum er den Schimmel Ihrem Verhalten zuschreibt. Wenn er keine Beweise hat - etwa keine Gutachten oder Messwerte -, wenden Sie sich an den Deutschen Mieterbund. Dort erhalten Sie kostenlose Beratung und Unterstützung bei der Vorbereitung eines Rechtsstreits. In den meisten Fällen löst sich der Streit, sobald der Vermieter merkt, dass Sie vorbereitet sind.