Nutzungsänderung bei Bestandsimmobilien: So prüfen Sie die Genehmigungspflicht richtig
Nov, 18 2025
Stellen Sie sich vor: Sie haben eine alte Lagerhalle gekauft, die seit Jahren leer steht. Sie wollen daraus Wohnungen machen. Keine baulichen Veränderungen, nur die Nutzung ändern. Klingt einfach, oder? Doch ohne Genehmigung drohen Bußgelder bis zu 50.000 Euro - oder sogar der Rückbau. Viele Immobilienbesitzer:innen unterschätzen, dass Nutzungsänderung nicht gleichbedeutend ist mit Renovieren. Es geht um das, was im Bebauungsplan steht - und was er verbietet.
Was genau ist eine Nutzungsänderung?
Eine Nutzungsänderung liegt vor, wenn eine Immobilie nicht mehr für die ursprünglich zugelassene Nutzung eingesetzt wird. Das kann bedeuten: Wohnraum wird zu Büroflächen, eine Werkstatt wird zu einem Fitnessstudio, ein Lager wird zu einer Ferienwohnung. Wichtig: Es muss keine Wand, kein Fenster, keine Tür verändert werden. Selbst wenn Sie nur einen Raum von „Lager“ auf „Yogastudio“ umwidmen, ist das eine Nutzungsänderung - und damit genehmigungspflichtig.Der Grund liegt im Baurecht: Jede Nutzung hat Regeln. Ein Wohnhaus braucht andere Brandschutzstandards als ein Bürogebäude. Ein Fitnessstudio zieht mehr Menschen an als ein Lagerraum - das verändert die Anforderungen an Fluchtwege, Sanitäranlagen und Stellplätze. Der Bebauungsplan legt fest, welche Nutzungen in welchem Gebiet erlaubt sind. Wenn Ihre geplante Nutzung dort nicht aufgeführt ist, brauchen Sie eine Genehmigung.
Wann ist eine Genehmigung zwingend nötig?
Nicht jede kleine Änderung braucht eine Genehmigung. Aber viele denken, nur bauliche Veränderungen zählen. Das ist ein gefährlicher Irrtum. Laut §29 Baugesetzbuch und den Landesbauordnungen ist eine Genehmigung erforderlich, wenn:- Die neue Nutzung im Bebauungsplan nicht vorgesehen ist
- Die Zahl der gleichzeitig anwesenden Personen steigt (z. B. mehr als 10 Personen in einem Raum)
- Neue Stellplätze nötig werden (mindestens 0,5 pro 100 m² Nutzfläche bei Büros)
- Fluchtwege nicht mehr ausreichen (z. B. bei mehr als 50 m² Nutzfläche braucht man zwei unabhängige Ausgänge)
- Die Brandschutzanforderungen steigen (z. B. Feuerwiderstandsklasse F30 bei Wohnungen)
- Der Lärmpegel die Grenzwerte überschreitet (über 70 dB(A) tagsüber, 60 dB(A) nachts)
- Das Gebäude unter Denkmalschutz steht - dann gelten zusätzliche Regeln
Ein konkretes Beispiel: Ein Eigentümer in Köln hat 2024 ein Wohnzimmer in eine Airbnb-Ferienwohnung umgewandelt - ohne bauliche Veränderungen. Kein neues Fenster, kein neuer Boden. Aber: Die Stadt hat ihm ein Bußgeld von 12.500 Euro auferlegt. Warum? Weil Ferienwohnungen als gewerbliche Nutzung gelten - und das war im Bebauungsplan nicht erlaubt.
Wie prüfen Sie, ob Ihre Nutzungsänderung genehmigungspflichtig ist?
Sie können nicht einfach raten. Sie müssen prüfen - systematisch. Hier sind fünf Schritte, die jeder durchlaufen muss:- Prüfen Sie den Bebauungsplan: Holen Sie sich den aktuellen Plan Ihrer Gemeinde. Dort steht, ob Ihre geplante Nutzung (z. B. „Gewerbe“, „Wohnen“, „Büro“) im betreffenden Gebiet erlaubt ist. Wenn nicht, brauchen Sie eine Ausnahmegenehmigung - oder gar keinen Antrag.
- Prüfen Sie die Landesbauordnung: Jedes Bundesland hat eigene Regeln. In Berlin gelten andere Stellplatzvorgaben als in Bayern. Die Bauordnung sagt, welche technischen Anforderungen bei Ihrer neuen Nutzung gelten.
- Berechnen Sie die Anforderungen: Wie viele Personen kommen? Wie viele Stellplätze brauchen Sie? Welche Brandschutzklasse ist nötig? Nutzen Sie Checklisten der Bauämter oder lassen Sie sich von einem Architekten beraten.
- Prüfen Sie den Denkmalschutz: Wenn das Gebäude älter als 50 Jahre ist und in einer Denkmalliste steht, brauchen Sie zusätzlich eine Genehmigung vom Denkmalschutzamt. Das kann den Prozess um Monate verzögern.
- Prüfen Sie die Umweltbelastung: Besonders bei ehemaligen Industrie- oder Lagerflächen: Gibt es Bodenverunreinigungen? Schwermetalle über 50 mg/kg? Dann müssen Sie eine Sanierung vor der Genehmigung durchführen - sonst wird der Antrag abgelehnt.
Wer darf den Antrag stellen?
Hier liegt ein großer Fehler bei vielen Eigentümer:innen: Sie versuchen, den Antrag selbst einzureichen. Das ist nicht erlaubt. Nur bauvorlageberechtigte Fachleute dürfen den Bauantrag stellen: Architekten oder Bauingenieure mit entsprechender Zulassung. Das ist kein „Bonus“, sondern eine gesetzliche Pflicht. Wer das ignoriert, bekommt den Antrag nicht einmal angenommen.Die Unterlagen, die Sie brauchen, sind umfangreich:
- Lageplan im Maßstab 1:500
- Grundrisse der bestehenden und geplanten Nutzung
- Brandschutznachweis (nach DIN 4102)
- Schallschutznachweis (für gewerbliche Nutzung)
- Stellplatznachweis (mit Berechnung)
- Gegebenenfalls: Denkmalschutzgutachten
- Gegebenenfalls: Schadstoffgutachten (Boden, Luft)
Ohne diese Unterlagen wird Ihr Antrag zurückgewiesen - und Sie verlieren Zeit und Geld.
Wie lange dauert es und wie viel kostet es?
Die Bearbeitungszeit liegt zwischen 3 und 6 Monaten - je nach Bundesland und Komplexität. In Nordrhein-Westfalen gilt seit Juli 2025 ein neues Gesetz: Für Büro-zu-Wohnen-Umnutzungen darf die Behörde maximal 90 Tage brauchen. Das ist ein großer Fortschritt.Die Kosten variieren stark:
| Bundesland | Durchschnittliche Verwaltungsgebühren | Gesamtkosten (Planung + Antrag + Gutachten) |
|---|---|---|
| Berlin | 3.500 € | 4.500 - 8.000 € |
| Bayern | 4.200 € | 5.500 - 10.000 € |
| Hamburg | 2.800 € | 3.800 - 7.500 € |
| Regensburg (Bayern) | 4.000 - 4.500 € | 5.000 - 9.000 € |
Die Gesamtkosten umfassen nicht nur die Gebühren der Behörde, sondern auch die Honorare des Architekten, der Gutachter und gegebenenfalls der Schadstoffsanierung. In komplexen Fällen - wie der Umwandlung einer Fabrikhalle - können die Kosten leicht über 100.000 Euro laufen.
Was passiert, wenn Sie ohne Genehmigung handeln?
Das ist kein „Kleinkrieg“. Das ist ein schwerwiegender Rechtsverstoß. Die Folgen:- Bußgelder zwischen 5.000 und 50.000 Euro
- Verpflichtung zum Rückbau der Veränderung
- Verlust der Versicherungsschutz (wenn Schaden entsteht)
- Keine Vermietung oder Verkauf möglich - das Objekt ist „rechtlich belastet“
- Im Extremfall: Strafanzeige wegen Bauordnungsverstoßes
Ein Fall aus Berlin: Ein Investor hat 2023 eine ehemalige Postfiliale in 12 Wohnungen umgewandelt - ohne Genehmigung. Die Stadt hat ihn zur Sanierung gezwungen, weil die Brandschutzanforderungen nicht erfüllt waren. Die Kosten: 280.000 Euro. Er hat die Genehmigung erst nach der Baufertigstellung beantragt - zu spät.
Wie können Sie den Prozess beschleunigen?
Ein vorheriges Gespräch mit der Bauaufsichtsbehörde ist der beste Tipp, den Sie bekommen können. Eine Umfrage der Deutschen Anwalt Akademie (Januar 2025) zeigt: Wer vorab mit der Behörde spricht, reduziert die Ablehnungsquote von 22% auf 8%. Die Bearbeitungszeit sinkt um durchschnittlich 45 Tage.Das funktioniert so: Vereinbaren Sie einen Termin. Nehmen Sie die Grundrisse, den Bebauungsplan und Ihre Idee mit. Fragen Sie direkt: „Ist das genehmigungspflichtig? Was fehlt?“ Die Behörde gibt Ihnen oft konkrete Hinweise - und vermeidet teure Fehler.
Ein Erfolgsbeispiel: Die „Alte Mälzerei“ in Berlin-Neukölln wurde 2024 in 42 Wohnungen umgewandelt. Der Schlüssel? Frühzeitige Einbindung des Denkmalschutzamtes. Die Schadstoffsanierung wurde geplant, bevor der Antrag gestellt wurde. Ergebnis: Genehmigung innerhalb von 4 Monaten - bei einem Projekt, das sonst 12 Monate gedauert hätte.
Was ist der aktuelle Trend?
Die Nachfrage nach Umnutzungen von Büro- in Wohnraum ist explodiert. Laut dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) stieg die Zahl der Anträge in den 10 größten Städten von 327 (2022) auf 842 (2024) - ein Anstieg von 157%. Der Grund: Büroflächen sind leer, Wohnraum knapp. Bis 2030 könnten 120-150 Millionen Quadratmeter Bürofläche für Wohnungen nutzbar sein.Die Politik reagiert: Nordrhein-Westfalen hat das „Umnutzungsbeschleunigungsgesetz“ eingeführt. Andere Bundesländer folgen. Bald soll es ein bundesweites elektronisches Bauantragsverfahren (eBA-Bund) geben - bis Ende 2026. Das wird die Prozesse schneller, transparenter und einfacher machen.
Aber: Die Finanzierung bleibt schwer. Die Kosten pro Quadratmeter liegen bei durchschnittlich 1.850 Euro. Die Mietpreisbremse in vielen Städten begrenzt die Miete auf 13,50 Euro pro Quadratmeter. Das bedeutet: Die Amortisation dauert mindestens 15 Jahre. Wer hier investiert, muss langfristig denken - und sich auf bürokratische Hürden einstellen.
Was bleibt?
Nutzungsänderungen sind kein Hobby. Sie sind ein komplexes, rechtlich eng umrissenes Verfahren. Wer glaubt, „ich mache das mal schnell“, riskiert alles: Geld, Zeit, Rechtssicherheit. Die richtige Vorgehensweise ist einfach: Prüfen Sie den Bebauungsplan. Sprechen Sie mit der Behörde. Beauftragen Sie einen Architekten. Machen Sie alles richtig - von Anfang an.Ein kleiner Tipp am Ende: Wenn Sie ein Gebäude kaufen, fragen Sie nicht nur nach dem Preis. Fragen Sie: „Was ist die zulässige Nutzung?“ Und: „Gibt es schon einen Bebauungsplan?“ Das spart Ihnen später Jahre und Tausende Euro.
Ist eine Nutzungsänderung immer genehmigungspflichtig?
Nein, nicht immer. Nur wenn die neue Nutzung im Bebauungsplan nicht vorgesehen ist oder neue rechtliche Anforderungen entstehen - wie mehr Personen, andere Brandschutzstandards oder zusätzliche Stellplätze. Kleine Änderungen, die keine neuen Anforderungen auslösen, können genehmigungsfrei sein. Aber: Es gibt keine pauschale Regel. Jeder Fall muss einzeln geprüft werden.
Kann ich als Eigentümer den Bauantrag selbst einreichen?
Nein. Nur bauvorlageberechtigte Fachleute - also Architekten oder Bauingenieure mit staatlicher Zulassung - dürfen den Bauantrag stellen. Eigentümer:innen haben keine rechtliche Befugnis dazu. Wer es trotzdem versucht, bekommt den Antrag nicht angenommen.
Was passiert, wenn ich eine Nutzungsänderung ohne Genehmigung durchführe?
Sie riskieren Bußgelder von 5.000 bis 50.000 Euro, den Rückbau der Veränderung, den Verlust des Versicherungsschutzes und die Unmöglichkeit, das Objekt zu verkaufen oder zu vermieten. In schweren Fällen droht sogar eine Strafanzeige. Die Behörden prüfen auch nach Jahren noch die rechtliche Zulässigkeit der Nutzung.
Brauche ich eine Genehmigung, wenn ich nur einen Mieter wechsle?
Nein. Wenn der neue Mieter die Immobilie genau für dieselbe Nutzung einsetzt wie der alte - etwa ein Büro bleibt ein Büro -, ist keine Genehmigung nötig. Die Genehmigungspflicht richtet sich nach der Nutzung, nicht nach dem Eigentümer oder Mieter.
Warum ist der Bebauungsplan so wichtig?
Der Bebauungsplan ist das zentrale rechtliche Dokument, das festlegt, welche Nutzungen in einem Gebiet erlaubt sind. Er entscheidet, ob Sie Wohnen, Gewerbe, Industrie oder öffentliche Einrichtungen nutzen dürfen. Ohne ihn können Sie nicht prüfen, ob Ihre geplante Änderung zulässig ist - und Sie riskieren einen Rechtsverstoß.
Gibt es Ausnahmen für denkmalgeschützte Gebäude?
Nein - im Gegenteil. Denkmalgeschützte Gebäude unterliegen strengeren Regeln. Eine Umnutzung von Büro zu Wohnung kann hier verboten sein, wenn sie die historische Substanz beeinträchtigt. Sie brauchen eine zusätzliche Genehmigung vom Denkmalschutzamt - und oft aufwendige Sanierungspläne.