Kommunales Vorkaufsrecht bei Immobilien: So funktioniert der Ablauf und wie Sie es abwehren

Kommunales Vorkaufsrecht bei Immobilien: So funktioniert der Ablauf und wie Sie es abwehren Dez, 20 2025

Wenn Sie eine Immobilie verkaufen, kann die Gemeinde plötzlich auftauchen und sagen: Ich kaufe das Grundstück statt Ihnen. Klingt unglaublich? Ist es aber nicht. Das kommunale Vorkaufsrecht ist in Deutschland kein seltenes Phänomen - besonders in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten wie Berlin, München oder Hamburg. Es ist ein rechtliches Instrument, das Kommunen erlaubt, in einen bereits abgeschlossenen Kaufvertrag einzutreten und den ursprünglichen Käufer zu ersetzen. Für Verkäufer und Käufer kann das den Verkauf komplett durcheinanderbringen - oder sogar zum Scheitern bringen.

Was ist das kommunale Vorkaufsrecht?

Das kommunale Vorkaufsrecht ist kein privates Recht, das ein Nachbar oder ein Mieter hat. Es ist ein öffentlich-rechtliches Instrument, das ausschließlich Gemeinden, Städten und Landkreisen zusteht. Die gesetzliche Grundlage finden Sie im Baugesetzbuch (BauGB), genauer in den §§ 24 bis 28. Es wurde 1960 eingeführt und seitdem mehrfach angepasst, zuletzt 2021 durch das Wohnungsbaugesetz.

Der Zweck ist klar: Die Kommune will Einfluss darauf nehmen, wie Grundstücke genutzt werden. Sie will verhindern, dass teure Luxuswohnungen entstehen, wo bezahlbarer Wohnraum gebraucht wird. Sie will sichern, dass Grünflächen erhalten bleiben, dass Quartiere nicht verdrängt werden. Das Recht erlaubt es der Gemeinde, ein Grundstück zu kaufen - aber nur unter den gleichen Bedingungen, die der ursprüngliche Käufer angeboten hat. Kein Rabatt, kein Nachverhandeln. Der Preis bleibt, die Bedingungen bleiben. Die Gemeinde tritt einfach an die Stelle des Käufers.

In welchen Fällen greift das Vorkaufsrecht?

Nicht überall und nicht immer. Das Vorkaufsrecht greift nur, wenn das Grundstück in einem bestimmten Gebiet liegt. Die wichtigsten Fälle sind:

  • Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, wenn die Fläche für öffentliche Zwecke vorgesehen ist (z. B. Schulen, Parks, Sozialwohnungen)
  • In einem Umlegungsgebiet, wo Grundstücke neu zugeschnitten werden
  • In einem Sanierungsgebiet, das offiziell als sanierungsbedürftig festgelegt wurde
  • In einem städtebaulichen Entwicklungsbereich, der für zukünftige Projekte vorgesehen ist
  • Im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB - das ist besonders wichtig für alte, denkmalgeschützte Viertel

Wichtig: Das Vorkaufsrecht gilt nicht, wenn es um Wohnungseigentum geht (also Einzelwohnungen in Mehrfamilienhäusern) oder um Erbbaurechte. Auch bei Verkäufen zwischen Familienmitgliedern oder bei Zwangsversteigerungen ist es oft ausgeschlossen.

Wie läuft der Ablauf ab?

Der Prozess ist streng geregelt - und jeder Schritt zählt. Hier ist der genaue Ablauf:

  1. Ein Verkäufer und ein Käufer schließen einen notariellen Kaufvertrag ab. Der Vertrag muss notariell beurkundet sein - ein einfacher schriftlicher Vertrag reicht nicht.
  2. Innerhalb von zwei Wochen nach der Beurkundung muss der Verkäufer dem zuständigen Bürgeramt oder der Stadtverwaltung eine Kopie des Vertrags vorlegen. Das ist Pflicht. Wer das versäumt, verliert das Vorkaufsrecht der Gemeinde - und damit auch die Chance, es später noch zu aktivieren.
  3. Die Gemeinde hat dann zwei Monate Zeit, zu entscheiden, ob sie das Vorkaufsrecht ausüben will. In Sanierungsgebieten verlängert sich diese Frist auf drei Monate.
  4. Wenn die Gemeinde zusagt: Sie tritt in den Kaufvertrag ein. Sie zahlt den vereinbarten Preis. Der ursprüngliche Käufer wird rausgeworfen - ohne dass er etwas dazu sagen kann.
  5. Die Gemeinde muss das Grundstück dann auch tatsächlich für den Zweck nutzen, den sie im Vorkaufsrecht angegeben hat. Will sie später doch Luxuswohnungen bauen, obwohl sie „sozialen Wohnungsbau“ als Grund angegeben hat, kann der ursprüngliche Verkäufer Schadensersatz verlangen.

Ein Beispiel: Ein Hausbesitzer in Berlin-Neukölln verkauft sein Haus für 450.000 € an einen Investor. Die Stadt hat ein Vorkaufsrecht wegen einer Erhaltungssatzung. Der Verkäufer reicht den Vertrag fristgerecht ein. Die Stadt prüft, entscheidet nach 60 Tagen: „Wir kaufen.“ Der Investor verliert das Haus. Die Stadt zahlt 450.000 € und baut später 10 Sozialwohnungen. Alles legal - aber für alle Beteiligten ein Schock.

Städtischer Verwaltungsraum mit Konflikt zwischen Eigentümer und Stadtplaner über Vorkaufsrecht.

Wie können Sie das Vorkaufsrecht abwehren?

Es gibt mehrere Wege, das Vorkaufsrecht zu verhindern - oder zumindest zu erschweren. Hier sind die wichtigsten Strategien:

1. Prüfen Sie vor dem Verkauf, ob das Vorkaufsrecht gilt

Bevor Sie Ihr Haus vermarkten, fragen Sie beim Amt nach: „Gibt es ein Vorkaufsrecht auf dieses Grundstück?“ Viele Makler und Notare vergessen das. Aber wenn Sie es nicht wissen, können Sie später nicht klagen. Die Deutsche Anwaltschaft für Immobilienrecht (DAI) empfiehlt: Immer vor Vertragsabschluss prüfen, ob das Grundstück in einem Sanierungsgebiet oder unter einer Erhaltungssatzung steht.

2. Die Frist verpassen - und das Vorkaufsrecht verliert seine Gültigkeit

Die Gemeinde hat nur zwei Monate Zeit. Aber: Sie kann nur dann aktiv werden, wenn der Verkäufer den Vertrag fristgerecht einreicht. Wenn Sie den Vertrag nicht innerhalb von zwei Wochen vorlegen, ist das Vorkaufsrecht automatisch verfallen. Das ist ein häufiger Fehler - besonders bei unerfahrenen Maklern oder Privatverkäufern. Einige Verkäufer nutzen das bewusst, um den Verkauf nicht zu gefährden. Aber: Wer das macht, handelt rechtlich riskant. Wenn die Gemeinde später herausfindet, dass der Vertrag verschleppt wurde, kann sie den Verkauf anfechten - und der Käufer verliert sein Geld.

3. Die Gemeinde muss ein konkretes Wohl der Allgemeinheit nachweisen

Das ist der wichtigste Punkt. Die Gemeinde darf das Vorkaufsrecht nur ausüben, wenn sie nachweist, dass das Wohl der Allgemeinheit es rechtfertigt. Das bedeutet: Sie muss zeigen, dass sie konkrete Pläne hat - und dass diese Pläne tatsächlich städtebaulich sinnvoll sind. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2021 hat das klar gemacht: Das Vorkaufsrecht für Mietwohnungen in angespannten Gebieten wurde als unverhältnismäßig eingestuft. Seitdem müssen viele Kommunen ihre Erhaltungssatzungen überarbeiten.

Wenn die Stadt sagt: „Wir wollen das Grundstück kaufen, weil es schön ist“, reicht das nicht. Wenn sie sagt: „Wir bauen 20 Sozialwohnungen hier“, dann ist das ein gültiger Grund. Aber: Wenn sie das später nicht tut, können Sie Schadensersatz verlangen.

4. Die Gemeinde nutzt das Vorkaufsrecht falsch - dann können Sie klagen

Es gibt Fälle, in denen Kommunen das Vorkaufsrecht als Druckmittel nutzen - etwa um Investoren zu vergraulen, die Sanierungen planen. Ein Investor aus München berichtete auf Reddit, dass er drei Mal gescheitert ist, obwohl die Stadt keine konkreten Pläne hatte. Rechtsanwältin Susanne Heid sagt: „Das ist rechtlich problematisch.“ Wenn die Gemeinde das Vorkaufsrecht ohne sachlichen Grund ausübt, können Sie vor dem Verwaltungsgericht klagen. Und das Gericht kann die Ausübung aufheben - wie es das Verwaltungsgericht München im April 2023 getan hat.

Wie steht es um die Rechtslage heute?

Die Rechtslage ist unruhig. Es gibt keine einheitliche Praxis. In Berlin wurden 2022 147 Vorkaufsrechte ausgeübt, in München 89. Doch gleichzeitig hoben Gerichte in Hamburg, München und Köln Ausübungen auf, weil keine konkreten Pläne vorlagen. Die Diskussion ist polarisiert:

  • Der Deutsche Mieterbund sagt: „Das Vorkaufsrecht ist das wichtigste Werkzeug gegen Verdrängung.“
  • Der Zentralverband der Immobilienwirtschaft (ZIA) sagt: „Es blockiert Sanierungen und verteuert den Wohnungsneubau.“

Im März 2023 hat der Bundestag einen neuen Gesetzentwurf vorgestellt: Das Vorkaufsrecht soll nur noch für konkrete, dokumentierte Projekte gelten - nicht mehr für „allgemeine Wohnraumförderung“. Gleichzeitig soll es für sozialen Wohnungsbau erleichtert werden. Das bedeutet: Wer eine Sozialwohnung bauen will, bekommt mehr Spielraum. Wer eine Luxusvilla bauen will, hat es schwerer.

Hand mit Schlüssel, umgeben von symbolischen Elementen des kommunalen Vorkaufsrechts.

Was bedeutet das für Sie als Verkäufer?

Wenn Sie verkaufen wollen:

  • Prüfen Sie vorab: Ist das Grundstück in einem Vorkaufsrechtsgebiet?
  • Sprechen Sie mit Ihrem Notar: Werden Sie den Vertrag fristgerecht einreichen?
  • Halten Sie sich an die Fristen - sonst riskieren Sie, dass der Verkauf platzt.
  • Wenn die Gemeinde zugesagt hat: Fragen Sie, welchen konkreten Zweck sie verfolgt. Schreiben Sie es auf. Wenn sie später etwas anderes macht, haben Sie einen Anspruch auf Schadensersatz.

Als Käufer: Wenn Sie ein Grundstück kaufen, das unter Vorkaufsrecht steht, ist der Kauf nicht sicher. Sie können bis zu drei Monate warten - und dann immer noch rausgeworfen werden. Das macht Investitionen unsicher. Viele Makler raten deshalb: Kaufen Sie nur, wenn die Gemeinde schriftlich bestätigt hat, dass sie das Vorkaufsrecht nicht ausüben wird - und das ist selten.

Was tun, wenn das Vorkaufsrecht ausgeübt wurde?

Wenn die Gemeinde eingegriffen hat, ist der Kaufvertrag mit dem ursprünglichen Käufer hinfällig. Sie als Verkäufer bekommen den Kaufpreis von der Stadt. Sie als Käufer verlieren Ihr Angebot - aber Sie können nicht einfach den Vertrag aufheben. Sie müssen sich an den Verkäufer wenden. Der muss Ihnen das Geld zurückzahlen - aber oft ist er schon weitergezogen, oder er hat das Geld ausgegeben. In solchen Fällen gibt es kaum rechtlichen Schutz für den Käufer. Deshalb: Vor dem Kauf immer prüfen, ob das Vorkaufsrecht greift. Und wenn ja: Warten Sie ab, ob die Gemeinde aktiv wird - oder suchen Sie sich ein anderes Grundstück.

Was ist die Zukunft des kommunalen Vorkaufsrechts?

Es wird nicht abgeschafft - aber es wird eingeschränkt. Die Rechtsprechung wird immer strenger. Die Gemeinden dürfen nicht mehr einfach „weil es gut wäre“ zugreifen. Sie müssen konkret nachweisen: Was wollen Sie bauen? Wer profitiert? Wie lange dauert es? Wer bezahlt es?

Die Zukunft liegt in klaren Regeln: Vorkaufsrecht nur für sozialen Wohnungsbau, für öffentliche Infrastruktur, für die Erhaltung von Vierteln. Nicht mehr für politische Signalwirkung. Und nicht mehr als Abschreckung für Investoren. Die Kommunen müssen lernen: Das Vorkaufsrecht ist kein Werkzeug gegen Privatleute - es ist ein Instrument für die Allgemeinheit. Und wenn es missbraucht wird, verliert es seine Legitimität.

Kann die Gemeinde das Vorkaufsrecht einfach so ausüben?

Nein. Die Gemeinde muss nachweisen, dass das Wohl der Allgemeinheit das Vorkaufsrecht rechtfertigt. Sie muss einen konkreten städtebaulichen Zweck nennen - wie Sozialwohnungsbau, Erhaltung von Denkmälern oder öffentliche Grünflächen. Ein bloßer Wunsch nach „mehr bezahlbarem Wohnraum“ reicht nicht mehr. Das hat das Bundesverwaltungsgericht 2021 klargestellt.

Was passiert, wenn der Verkäufer den Kaufvertrag nicht innerhalb von zwei Wochen vorlegt?

Das Vorkaufsrecht der Gemeinde verfällt automatisch. Sie kann dann nicht mehr einsteigen. Aber: Wenn die Gemeinde später herausfindet, dass der Vertrag absichtlich verschleppt wurde, kann sie den Verkauf anfechten - und der Käufer riskiert, sein Geld zu verlieren. Deshalb: Immer fristgerecht einreichen.

Kann ich als Käufer verhindern, dass die Gemeinde einsteigt?

Nein. Sie haben kein Mitspracherecht. Sobald die Gemeinde das Vorkaufsrecht ausübt, tritt sie an Ihre Stelle - ohne Ihre Zustimmung. Sie verlieren das Grundstück, auch wenn Sie den Kaufpreis bereits gezahlt haben. Deshalb: Kaufen Sie nur, wenn die Gemeinde schriftlich bestätigt, dass sie nicht einsteigen wird - oder akzeptieren Sie das Risiko.

Wann ist das Vorkaufsrecht ausgeschlossen?

Es gilt nicht bei Verkäufen von Wohnungseigentum (also Einzelwohnungen), bei Erbbaurechten, bei Zwangsversteigerungen oder bei Verkäufen zwischen nahen Verwandten. Auch wenn das Grundstück nicht in einem Bebauungsplan, Sanierungsgebiet oder Erhaltungssatzung liegt, greift es nicht.

Kann ich gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts klagen?

Ja. Wenn die Gemeinde kein konkretes städtebauliches Projekt nachweisen kann, können Sie vor dem Verwaltungsgericht klagen. Das Verwaltungsgericht München hat 2023 genau das getan: Es hob die Ausübung des Vorkaufsrechts auf, weil die Stadt keine Pläne vorlegen konnte. Ein solcher Rechtsstreit ist teuer - aber oft erfolgreich.

1 Comment

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    david bauer

    Dezember 20, 2025 AT 09:49

    Das Vorkaufsrecht ist doch eigentlich nur ein cleverer Trick, um Spekulanten rauszuschmeißen. Ich find’s gut, dass die Stadt endlich was tut, statt nur zuzuschauen, wie ganze Viertel verdrängt werden.

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