Kalkputz vs. Zementputz: Welcher Innenausbau für Ihre Wände wirklich sinnvoll ist

Kalkputz vs. Zementputz: Welcher Innenausbau für Ihre Wände wirklich sinnvoll ist Nov, 19 2025

Wenn Sie Ihre Innenwände neu verputzen, stehen Sie vor einer einfachen, aber entscheidenden Frage: Kalkputz oder Zementputz? Beide sind mineralisch, beides ist langlebig - aber was passt wirklich zu Ihrem Raum? Die Antwort hängt nicht vom Preis ab, nicht vom Trend, sondern von der Funktion, die die Wand erfüllen soll.

Was ist Kalkputz wirklich?

Kalkputz besteht aus Kalkhydrat, Sand und Wasser. Keine Kunststoffe, keine synthetischen Additive. Das klingt nach altmodisch, ist aber technisch hochentwickelt. Der Kalk reagiert mit Kohlendioxid in der Luft - eine chemische Reaktion, die ihn wieder zu Kalkstein wird. Das nennt man Carbonatisierung. Und das ist der Schlüssel zu seinen besten Eigenschaften.

Er kann Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben, ohne zu schimmeln. Warum? Weil der pH-Wert zwischen 12 und 13 liegt. Das ist so stark alkalisch, dass Schimmelpilze keine Chance haben. Eine Studie vom Fraunhofer IBP zeigte: Unter Laborbedingungen reduziert Kalkputz Schimmelsporen um 87 % im Vergleich zu Gipsputz. Das ist kein Marketing-Gesöff, das ist Chemie.

Er ist diffusionsoffen - das bedeutet, Wasserdampf kann durch die Wand wandern. In einem Schlafzimmer oder Wohnzimmer, wo Menschen atmen, Kochen, Duschen, ist das Gold wert. Kalkputz puffert die Luftfeuchtigkeit: bis zu 200 Gramm pro Quadratmeter und Prozent relative Luftfeuchtigkeit. Das ist mehr als doppelt so viel wie bei Kalkzementputz. In einem Passivhaus mit niedrigem Luftwechsel ist das besonders wichtig - aber nur, wenn die Wand nicht mit Folien oder dichten Anstrichen abgeriegelt wird.

Was ist Zementputz - und warum wird er so oft verwendet?

Zementputz, richtig gesagt: Kalkzementputz, ist eine Mischung aus Kalkhydrat, Zement, Sand und Wasser. Der Zement macht ihn härter, schneller trocknend und widerstandsfähiger. Die Druckfestigkeit liegt bei 1,5 bis 2,5 N/mm² - fast dreimal so hoch wie bei reinem Kalkputz (0,4-0,8 N/mm²).

Das macht ihn ideal für Bereiche mit hoher mechanischer Belastung: Flure, Treppenhäuser, Küchen, Badezimmer. Er ist abriebfester, kratzresistenter, hält besser, wenn Kinder mit Möbeln dagegenfahren oder Handtaschen an der Wand schleifen. Er trocknet schneller: 2-3 mm pro Tag bei 20°C und 65 % Luftfeuchtigkeit. Kalkputz braucht dafür 1-2 mm. Das spart Zeit - und Geld bei der Handwerkerrechnung.

Er ist auch besser für feuchte Umgebungen. Während reiner Kalkputz in der Außenwand eingesetzt werden kann, ist Kalkzementputz wasserabweisender. Das macht ihn zur Standardwahl in Neubauten, besonders bei Wärmedämmung. Aber hier liegt die Falle: Wenn der Untergrund stark wärmedämmt (z. B. mit Mineralwolle oder EPS), dehnt er sich anders aus als der Putz. Kalkzementputz ist starr. Er reißt. Kalkputz dagegen ist elastischer - er folgt den Bewegungen des Untergrunds. Deshalb ist er in Sanierungen von Altbauten oft die einzige vernünftige Wahl.

Der große Unterschied: Feuchtigkeit vs. Härte

Es gibt keinen perfekten Putz. Nur den richtigen für den richtigen Ort.

  • Kalkputz ist der Klima-Regler. Er atmet. Er puffert. Er verhindert Schimmel. Er fühlt sich warm an, weil er keine Kälte speichert. Er ist ideal für Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer, Bibliotheken - Räume, in denen Menschen lange verweilen und Luftfeuchtigkeit entsteht.
  • Kalkzementputz ist der Belastungs-Tester. Er hält Druck, Kratzer, Abrieb. Er trocknet schnell. Er ist stabil, wenn der Untergrund nicht viel bewegt. Er ist ideal für Flure, Treppenhäuser, Küchen, Waschräume, Garagen - Orte mit hohem Verkehr und mechanischer Beanspruchung.

Ein praktisches Beispiel: Ein Kunde aus Lüneburg hat vor drei Jahren sein altes Einfamilienhaus saniert. Im Wohnzimmer: Kalkputz. Im Flur: Kalkzementputz. Drei Jahre später: Kein Schimmel im Wohnzimmer. Keine Risse im Flur. Beide Putze funktionieren - aber nur, weil sie an den richtigen Stellen eingesetzt wurden.

Flur mit kalkzementputzter Wand, sichtbare Abnutzungsspuren von Möbeln und Fußverkehr.

Preis und Verarbeitung: Was kostet was?

Der Materialpreis ist nicht der entscheidende Faktor. Kalkputz kostet etwa 0,80-1,20 € pro kg, Kalkzementputz 1,00-1,50 € pro kg. Der Unterschied ist gering. Aber die Verarbeitungskosten sind es nicht.

Kalkputz braucht Zeit. Die Trocknung einer 15-mm-Schicht dauert bis zu vier Wochen. Wer zu früh streicht oder tapeziert, riskiert Blasen, Ablösungen, Schimmel unter der Farbe. Handwerker müssen das wissen. Wer es nicht weiß, macht Fehler. Die Lernkurve ist länger: 15-20 Einsätze, bis man Kalkputz glatt bekommt. Kalkzementputz ist einfacher zu verarbeiten - 10-15 Einsätze reichen, um ein sauberes Ergebnis zu erzielen.

Auch die Untergrundvorbereitung ist anders. Kalkputz kann oft ohne Grundierung auf saugfähigen Untergründen aufgetragen werden. Kalkzementputz braucht einen Tiefgrund, sonst saugt der Untergrund das Wasser zu schnell raus - und der Putz bricht. Das ist ein klassischer Fehler bei Do-it-yourselfern. Und der führt zu teuren Nachbesserungen.

Welcher Putz für welches Haus?

Altbau oder Neubau? Das ist die entscheidende Frage.

Altbau, Denkmal, historische Sanierung: Nur Kalkputz. Warum? Weil die Wände aus Ziegel oder Lehm bestehen und atmen müssen. Kalkzementputz versiegelt sie. Feuchtigkeit bleibt stecken. Schimmel kommt. Kalkputz ist der einzige Putz, der mit der Substanz des Hauses harmoniert. 62 % der Handwerker bevorzugen ihn für Sanierungen.

Neubau, energetische Sanierung, moderne Dämmung: Kalkzementputz ist die Standardwahl. Er ist stabil, schnell, widerstandsfähig. Aber: Nur, wenn die Dämmung nicht zu stark ist. Bei extremen Dämmdicken (über 16 cm) wird es knifflig. Dann braucht man spezielle Kalkzement-Leichtputze mit EPS-Zusatz - das ist neu seit 2021. Diese Putze sind leichter, wärmedämmender und rissanfälliger.

Passivhaus oder Niedrigenergiehaus: Kalkputz ist der bessere Partner - aber nur, wenn die Lüftung funktioniert. Wenn die Luftwechselrate zu niedrig ist, kann Kalkputz seine Feuchtigkeitspufferung nicht voll entfalten. Dann wird er überlastet. Hier ist eine mechanische Lüftung nicht optional - sie ist Pflicht.

Vergleich zweier Putzarten: rissiger Zementputz über Dämmung vs. elastischer Kalkputz an Ziegelwand.

Was ist der häufigste Fehler?

Der größte Fehler ist: Man wählt den Putz nach dem Preis oder nach dem, was der Handwerker am liebsten verarbeitet. Nicht nach der Funktion.

Ein anderer Fehler: Man denkt, Kalkputz sei „nur“ für Schöneres. Aber er ist nicht weicher - er ist anders. Er ist flexibler. Er ist natürlicher. Er braucht nur mehr Geduld.

Und dann gibt es noch die falsche Farbe. Wer Kalkputz mit einer vollständig dichten Acrylfarbe streicht, macht ihn zu einem Zementputz. Die Poren sind verstopft. Die Atmung stoppt. Der Vorteil ist weg. Nutzen Sie nur diffusionsoffene Anstriche: Kalkfarbe, Silikatfarbe, Lehmfarbe. Nicht Acryl. Nicht Latex. Nicht Dispersionsfarbe.

Was sagt die Zukunft?

Der Markt verändert sich. Kalkputz wächst langsam - 4,2 % pro Jahr - vor allem durch Denkmalschutz und Nachhaltigkeitsbewusstsein. Kalkzementputz wächst schneller - 6,7 % - weil Neubauten und Sanierungen mit Dämmung zunehmen.

Neue Entwicklungen: Kalkzementputze mit 5-8 % Naturfasern. Das reduziert Risse. Das macht sie besser für Wärmedämmung. Das ist der Trend: Hybridisierung. Kein entweder-oder mehr. Sondern: Was braucht der Raum?

Und die graue Energie? Kalkputz hat 110 kWh pro Kubikmeter. Kalkzementputz 180 kWh. Das ist ein Unterschied von 60 %. Wer auf CO₂-Bilanz achtet, wählt Kalkputz - wenn die Funktion es zulässt.

Die Zukunft gehört nicht dem härteren Putz. Sondern dem intelligenten Putz. Dem, der zur Wand passt. Zum Raum passt. Zum Haus passt.

Kann ich Kalkputz in der Küche verwenden?

Ja, aber nur, wenn die Küche nicht stark beansprucht wird - also kein häufiges Anstoßen von Möbeln oder Küchengeräten. Kalkputz ist schimmelhemmend und gut für die Luftfeuchtigkeit von Kochdämpfen. Aber er ist weicher als Kalkzementputz. Wenn Sie viel kochen, viel putzen und oft mit Töpfen an die Wand stoßen, ist Kalkzementputz die sicherere Wahl. Für eine ruhige, gut belüftete Küche ist Kalkputz eine hervorragende, natürliche Lösung.

Warum reißt Kalkzementputz manchmal?

Kalkzementputz ist starr. Wenn der Untergrund sich ausdehnt oder zusammenzieht - etwa durch Temperaturschwankungen bei Wärmedämmung - bleibt der Putz steif. Das führt zu Rissen. Besonders bei EPS-Dämmplatten oder Mineralwolle ist das ein Problem. Kalkputz dagegen ist elastisch und folgt den Bewegungen. Deshalb ist er besser für Sanierungen mit alten Mauerwerken oder bei Dämmung mit hohen Wärmedämmwerten.

Ist Kalkputz teurer als Zementputz?

Der Materialpreis ist ähnlich oder leicht niedriger bei Kalkputz. Aber die Verarbeitungskosten sind höher, weil er langsamer trocknet. Ein Handwerker braucht mehr Zeit, was sich in der Rechnung widerspiegelt. Zudem muss er mit mehr Sorgfalt arbeiten - zu frühes Streichen führt zu Schäden. Insgesamt kann die Gesamtkosten für Kalkputz um 15-20 % höher liegen. Aber die Lebensdauer ist oft länger - besonders in Altbauten.

Welche Farbe passt zu Kalkputz?

Nur diffusionsoffene Anstriche: Kalkfarbe, Silikatfarbe oder Lehmfarbe. Diese lassen Wasserdampf durch. Acryl-, Dispersions- oder Latexfarben versiegeln die Oberfläche. Dann funktioniert der Kalkputz nicht mehr als Feuchtigkeitspuffer. Schimmel kann sich unter der Farbe bilden - und Sie merken es erst, wenn es zu spät ist.

Kann ich Kalkputz selbst verputzen?

Ja, aber nur mit Erfahrung. Kalkputz ist empfindlich. Zu viel Wasser, zu wenig Ruhetime, falscher Untergrund - alles führt zu Fehlern. Kalkzementputz ist einfacher zu verarbeiten. Wer kein Handwerker ist, sollte mit Kalkzementputz beginnen. Für Kalkputz braucht man mindestens 15-20 Übungsversuche, bis man ein sauberes Ergebnis erzielt. Lesen Sie die Anleitungen, probieren Sie an einer kleinen Wand aus, und lassen Sie sich Zeit.