Haftungsrisiken auf Baustellen: So sichern Sie sich als Bauherr richtig ab
Dez, 23 2025
Als Bauherr denken Sie vielleicht: Haftungsrisiken auf Baustellen sind Sache des Bauunternehmers. Doch das ist ein gefährlicher Irrtum. Selbst wenn Sie einen Profi beauftragen, bleiben Sie rechtlich verantwortlich - und das kann teuer werden. Ein Kind fällt in einen offenen Graben, ein Nachbarhaus bekommt Risse durch Bohrungen, ein „Selbstständiger“ auf Ihrer Baustelle wird als Arbeitnehmer eingestuft: In allen Fällen können Sie persönlich haften. Und Warnschilder wie „Achtung, Baustelle - Betreten auf eigene Gefahr“ helfen gar nichts. Die Gerichte sagen klar: Wer baut, trägt die Verantwortung.
Warum Sie als Bauherr nicht einfach abschreiben können
Die Verkehrssicherungspflicht ist kein Bonus, sondern eine gesetzliche Pflicht. Sie entsteht, weil Sie als Bauherr die Baustelle veranlasst haben. Das bedeutet: Sie schaffen die Gefahrenquelle - und müssen dafür sorgen, dass niemand darunter leidet. Das gilt für Passanten, Nachbarn, Lieferanten, sogar für Kinder, die durch den Hof laufen. Der Bundesgerichtshof hat das 1992 klargestellt: Der Bauherr ist der Veranlasser. Und der Veranlasser haftet. Viele glauben, sie könnten diese Pflicht einfach auf den Bauunternehmer übertragen. Das geht teilweise - aber nicht komplett. Das Oberlandesgericht München hat 2018 entschieden: Selbst wenn der Unternehmer für die Sicherung zuständig ist, bleibt der Bauherr mitverantwortlich. Er muss prüfen, ob die Sicherungsmaßnahmen tatsächlich ausreichen. Ein Beispiel: Ein Handwerker sichert eine Baustelle im Innenhof nur mit einer Flatterleine. Der Hof liegt zwischen Wohnhäusern, abends kommt das Restaurantpersonal vorbei, es ist dunkel. Das Gericht sagt: Das ist unzureichend. Der Bauherr hätte nachfragen, nachbessern, nachsehen müssen. Und er wäre haftbar geworden.Was passiert, wenn Ihr Nachbarhaus Schaden nimmt?
Tiefbauarbeiten sind gefährlich - besonders in dicht bebauten Gebieten. Wenn Sie ein Kellerfundament ausheben, ein Rammgerät einsetzen oder Bohrungen in der Nähe eines Nachbarhauses durchführen, besteht ein hohes Risiko für Risse, Setzungen, sogar Einbrüche. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat 2016 einen Fall entschieden, der viele Bauherren schockiert hat: Ein Nachbarhaus erlitt schwere Schäden durch Rammarbeiten. Die Baufirma hatte vorgeschobene Risse im Mauerwerk ignoriert - doch das änderte nichts. Die Gerichte sagen: Wenn Ihre Arbeiten einen bestehenden Schaden verschlimmern, haften Sie oder Ihr Unternehmer dafür. In diesem Fall war die Baufirma schuld, weil sie gegen die Regeln der Baukunst verstoßen hatte. Aber: Hätte der Bauherr ein geotechnisches Gutachten verlangt, wäre der Schaden vielleicht verhindert worden. Und dann hätte er auch nicht mit der Frage zu kämpfen gehabt, ob er haftet.Scheinselbstständige: Die unsichtbare Haftungsfalle
Ein weiterer Risikofaktor, den viele Bauherren ignorieren: Scheinselbstständige. Sie denken, Sie sparen Geld, wenn Sie einen Handwerker als „Freiberufler“ beauftragen - ohne Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Doch wenn dieser Mann oder diese Frau täglich auf Ihrer Baustelle erscheint, mit Ihrem Werkzeug arbeitet, nach Ihren Vorgaben arbeitet und nicht eigene Kunden hat - dann ist er kein Selbstständiger. Er ist ein Arbeitnehmer. Und wenn das Finanzamt oder die Sozialversicherung das herausfindet, haften Sie. Nicht nur für die fehlenden Beiträge, sondern auch für Steuern, Zinsen und Bußgelder. Die Strafen können bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe erreichen - und das nicht nur für die Firma, sondern für Sie persönlich. Geschäftsführer und Bauherren können nach § 130 OWiG wegen Unterlassung von Aufsicht belangt werden. Und wenn die Firma pleite ist, können Sie in Regress genommen werden. Das ist kein theoretisches Risiko. Die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Sozialversicherungsbetrug ist von 7.842 im Jahr 2018 auf 11.327 im Jahr 2022 gestiegen. Baustellen gehören zu den häufigsten Prüfobjekten.
Was eine Bauherrenhaftpflichtversicherung wirklich abdeckt
Die einzige sinnvolle Absicherung gegen diese Risiken ist die Bauherrenhaftpflichtversicherung. Sie ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Diese Versicherung deckt Schäden an Personen und Sachen ab, die während der Bauzeit durch Ihre Baustelle entstehen. Das heißt: Ein Passant stürzt in einen Graben? Die Versicherung zahlt. Ein Nachbarhaus bekommt Risse? Die Versicherung zahlt. Ein Mitarbeiter eines Unternehmers verletzt sich, weil die Sicherung unzureichend war? Die Versicherung zahlt - auch wenn der Unternehmer nicht haftet. Die Versicherung tritt für Sie ein, weil Sie der Veranlasser sind. Laut Branchenanalysen des GDV nutzen 78 % der privaten Bauherren diese Versicherung - bei Gewerbebauten sind es fast 100 %. Die Prämien liegen bei 0,3 bis 0,5 % der Baukosten. Für ein Haus mit 300.000 Euro Baukosten sind das etwa 900 bis 1.500 Euro pro Jahr. Ein kleiner Preis für den Schutz vor fünfstelligen Schadensforderungen. Aber Achtung: Nicht alle Policen sind gleich. Viele Ausschlüsse verstecken sich im Kleingedruckten. Besonders bei Altbau-Sanierungen, Dachausbauten oder Sonderkonstruktionen kann die Versicherung ablehnen, wenn bestimmte Risiken nicht explizit mitversichert wurden. Fragen Sie immer nach: „Ist die Haftung für Setzungen, Risse, Schäden an Nachbargebäuden und für Scheinselbstständige eingeschlossen?“Praktische Sicherung: Was wirklich hilft
Versicherung allein reicht nicht. Sie müssen auch handeln. Hier sind die wichtigsten Maßnahmen, die Sie als Bauherr verlangen sollten:- 2,00 Meter hohe Bauzäune mit festem Fundament - keine Flatterleinen, keine Plastikplanen.
- Ausreichende Beleuchtung ab Einbruch der Dämmerung - besonders bei Hof- oder Innenhof-Baustellen.
- Klare Kennzeichnung von Gefahrenstellen: offene Gräben, Baustellenfahrzeuge, Baustellenabfälle.
- Geotechnisches Gutachten vor Tiefbauarbeiten in der Nähe von Nachbargebäuden.
- Regelmäßige Kontrolle der Baustellensicherung - mindestens einmal pro Woche, besser öfter.
- Dokumentation mit Fotos oder Drohnenbildern - das beweist, dass Sie Ihre Pflicht erfüllt haben.
Was Sie nicht tun dürfen
- Nichts tun. Ignoranz ist keine Verteidigung. Die Gerichte erwarten aktive Kontrolle. - Keine Warnschilder als Ersatz. „Auf eigene Gefahr“ hat keine rechtliche Wirkung. - Keine „Freunde“ als Handwerker. Wer ohne Vertrag, ohne Versicherung, ohne Steuern arbeitet, bringt Sie in Gefahr. - Keine Baustellen ohne Absicherung. Selbst wenn der Unternehmer sagt, er hat eine eigene Haftpflicht - das schützt Sie nicht.Was passiert, wenn Sie nichts tun?
Stellen Sie sich vor: Ein Nachbar klagt auf 20.000 Euro Schadensersatz wegen Rissen in seiner Wand. Ein Kind fällt in einen Graben und bricht sich das Bein. Die Krankenkasse zahlt 15.000 Euro - und verlangt das Geld von Ihnen zurück. Ein „Selbstständiger“ meldet sich bei der Sozialversicherung als Arbeitnehmer an - und Sie müssen 40.000 Euro Nachzahlungen zahlen. Sie haben keine Versicherung. Sie haben keine Dokumentation. Sie haben nichts getan. Was dann? Sie verlieren Ihr Haus. Oder Ihre Ersparnisse. Oder Ihre Freiheit. Das ist kein Horrorfilm. Das ist Realität - und es passiert jeden Tag in Deutschland.Was Sie jetzt tun müssen
1. Prüfen Sie Ihre Versicherung. Haben Sie eine Bauherrenhaftpflicht? Welche Risiken sind eingeschlossen? Fragt den Versicherer - nicht den Makler. 2. Überprüfen Sie alle Unternehmer. Sind sie wirklich selbstständig? Haben sie eine Betriebshaftpflicht? Sind sie in der Handwerksrolle eingetragen? Fordern Sie Nachweise an. 3. Planen Sie die Sicherung. Welche Zäune? Welche Beleuchtung? Wo sind die Gefahrenstellen? Machen Sie einen Plan - und halten Sie ihn ein. 4. Dokumentieren Sie alles. Fotos, Termine, Gespräche mit dem Bauunternehmer. Wenn etwas schiefgeht, brauchen Sie Beweise. 5. Reden Sie mit einem Fachanwalt. Einmal im Jahr, vor Baubeginn. Das kostet 200 Euro - spart 20.000 Euro.Als Bauherr haben Sie mehr Kontrolle, als Sie denken. Sie müssen nicht alles selbst machen. Aber Sie müssen alles prüfen. Denn wer baut, trägt die Verantwortung - und die lässt sich nicht abschreiben.
Haben Warnschilder auf der Baustelle eine rechtliche Wirkung?
Nein. Warnschilder wie „Achtung, Baustelle - Betreten auf eigene Gefahr“ oder „Eltern haften für ihre Kinder“ entbinden den Bauherrn nicht von seiner Verkehrssicherungspflicht. Das hat das Arge-Baurecht mehrfach bestätigt. Gerichte sehen diese Schilder als unzureichend an, wenn keine physische Absicherung vorhanden ist. Der Bauherr muss aktiv dafür sorgen, dass Dritte nicht gefährdet werden - durch Zäune, Beleuchtung, Sicherheitskonzepte. Schilder ersetzen keine Maßnahmen.
Kann ich die Haftung komplett auf den Bauunternehmer übertragen?
Nein. Selbst wenn der Vertrag sagt, dass der Unternehmer für die Baustellensicherung verantwortlich ist, bleibt der Bauherr mitverantwortlich. Das Oberlandesgericht München hat 2018 entschieden: Der Bauherr muss prüfen, ob die Sicherungsmaßnahmen ausreichend sind. Wenn er das nicht tut - etwa weil er eine Flatterleine als ausreichend akzeptiert - haftet er mit. Die Haftung wird geteilt, nicht übertragen.
Was passiert, wenn ein „Selbstständiger“ auf meiner Baustelle verletzt wird?
Wenn sich herausstellt, dass die Person in Wirklichkeit ein Arbeitnehmer war - etwa weil sie täglich kam, mit Ihrem Werkzeug arbeitete und keine eigenen Kunden hatte - haften Sie für die Sozialversicherungsbeiträge, Steuern und mögliche Schadensersatzansprüche. Sie können persönlich in Regress genommen werden, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig ist. Zudem drohen Bußgelder bis zu 50.000 Euro und im schlimmsten Fall sogar Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren wegen Sozialversicherungsbetrugs.
Ist eine Bauherrenhaftpflichtversicherung Pflicht?
Nein, sie ist nicht gesetzlich vorgeschrieben - aber praktisch unverzichtbar. Ohne sie sind Sie bei jedem Schaden persönlich haftbar. Bei einem schweren Unfall oder einem Nachbarschaden können Kosten von mehr als 100.000 Euro entstehen. Die Versicherung kostet nur 0,3-0,5 % der Baukosten - das ist ein geringer Preis für einen vollständigen Schutz. Fast alle Banken verlangen sie als Voraussetzung für den Baukredit.
Was ist mit Schäden an meinem eigenen Haus?
Die Bauherrenhaftpflichtversicherung deckt nur Schäden an Dritten ab - also Nachbarn, Passanten, Lieferanten. Schäden an Ihrem eigenen Haus fallen nicht darunter. Dafür brauchen Sie eine Bauleistungsversicherung. Sie schützt vor Baumängeln, Verzögerungen oder Schäden während der Bauzeit. Diese Versicherung ist separat und sollte immer ergänzend abgeschlossen werden.