Balkonverglasung und Markisen in der WEG: Was erlaubt ist und was nicht
Dez, 10 2025
Wenn Sie in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) leben und Ihren Balkon verglasen oder eine Markise anbringen wollen, dann stehen Sie vor einer der häufigsten, aber auch kompliziertesten Fragen im Alltag als Eigentümer: Was ist erlaubt? Viele denken, dass ihr Balkon ihnen gehört - und deshalb dürfen sie dort tun und lassen, was sie wollen. Doch das ist ein gefährlicher Irrtum. Der Balkon ist kein privater Anbau, sondern Teil des Gemeinschaftseigentums. Und das hat rechtliche Konsequenzen, die Sie nicht ignorieren dürfen.
Warum Ihr Balkon nicht Ihnen gehört
Laut § 20 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) gehören Balkone zum Gemeinschaftseigentum. Das klingt erstmal seltsam: Schließlich nutzen Sie den Balkon täglich, putzen ihn, stellen Blumen darauf. Aber rechtlich gesehen ist er ein Teil der Fassade. Und die Fassade bestimmt das Aussehen des ganzen Hauses. Deshalb dürfen Sie nicht einfach eine Glaswand anbringen oder eine große Markise montieren, ohne die anderen Eigentümer zu fragen. Selbst wenn Sie die Kosten selbst tragen - das Recht, das Gebäude zu verändern, liegt bei der Gemeinschaft.Diese Regelung gibt es seit Jahrzehnten. Doch seit der WEG-Reform am 1. Dezember 2020 ist es ein wenig einfacher geworden, solche Maßnahmen durchzusetzen. Früher brauchte man eine qualifizierte Mehrheit von 75 Prozent der Stimmen. Heute reicht eine einfache Mehrheit - also mehr als die Hälfte der anwesenden Eigentümer - sofern die Maßnahme weder das Gebäude grundlegend verändert noch andere Eigentümer unbillig benachteiligt.
Markisen: Klemmen ist nicht automatisch erlaubt
Markisen sind ein beliebter Weg, um den Balkon im Sommer nutzbar zu machen. Aber nicht jede Markise ist gleich. Es gibt zwei Haupttypen: Klemmmarkisen und fest installierte Gelenkarmmarkisen.Klemmmarkisen, die ohne Bohren an der Balkonbrüstung befestigt werden, gelten als weniger eingreifend. Einige Gerichte, wie das Landgericht Berlin im Mai 2023, haben entschieden, dass solche Modelle keine bauliche Veränderung darstellen und daher keine Zustimmung der WEG benötigen - wenn sie wirklich keine Spuren hinterlassen und rückstandslos entfernt werden können.
Doch hier liegt die Falle: Das Amtsgericht München hat im August 2022 genau das Gegenteil entschieden. In diesem Fall wurde eine Klemmmarkise entfernt, weil sie das Erscheinungsbild des Gebäudes veränderte - und das allein reichte aus, um eine Genehmigungspflicht zu begründen. Warum? Weil die WEG das Recht hat, das äußere Erscheinungsbild des Hauses zu schützen. Eine Markise in Neonrot, die 1,5 Meter über den Balkon ragt, wirkt anders als eine schlichte weiße Markise mit 30 cm Überstand. Und das macht rechtlich den Unterschied.
Fest installierte Markisen mit Gelenkarmen, die an der Fassade oder Balkondecke verschraubt werden, sind dagegen immer genehmigungspflichtig. Jede Bohrung in die Fassade greift in das Gemeinschaftseigentum ein. Selbst wenn die Bohrungen nur 8 mm Durchmesser haben - wie in einem Fall aus München - muss die WEG zustimmen. Und oft macht sie auch Auflagen: Farbe, Material, Abstand zur Nachbarwohnung, Maximalgröße. Einige WEGs verlangen sogar, dass die Markise bei Verkauf der Wohnung wieder entfernt wird.
Balkonverglasung: Fast immer verboten - bis auf Ausnahmen
Balkonverglasungen sind eine andere Baustelle. Hier geht es nicht nur um Optik, sondern um Statik, Wärmedämmung und Brandschutz. Jede Verglasung verändert das Gebäude. Deshalb ist eine Genehmigung der WEG immer nötig - und oft auch eine baurechtliche Genehmigung von der Kommune.Die WEG kann die Verglasung nicht einfach ablehnen, wenn sie keinen triftigen Grund hat. Laut Wohnen im Eigentum (WiE) und Rechtsanwälten wie Dr. Michael Klamann muss die Gemeinschaft zustimmen, wenn die Verglasung weder die Statik beeinträchtigt noch andere Eigentümer stört. Viele WEGs genehmigen heute sogar Verglasungen, wenn sie in einem einheitlichen Design installiert werden - etwa alle in klarem, silberfarbenem Aluminium. Einige Gemeinschaften haben sogar Musterlösungen entwickelt, die alle Eigentümer nutzen können, um ein einheitliches Erscheinungsbild zu wahren.
Aber Vorsicht: Selbst wenn die WEG zustimmt, müssen Sie prüfen, ob die Verglasung den Brandschutzvorschriften entspricht. Einige Kommunen verbieten vollständig verglaste Balkone, wenn sie als Fluchtweg dienen könnten. Auch die Energieeinsparverordnung (EnEV) kann Anforderungen stellen, wenn die Verglasung den Wärmeschutz des Gebäudes verbessert. Hier lohnt es sich, vorher mit einem Architekten oder Baufachmann zu sprechen.
Wie Sie die Zustimmung der WEG bekommen
Wenn Sie eine Markise oder Verglasung installieren wollen, dann sollten Sie nicht einfach loslegen - und auch nicht einfach einen Antrag stellen. Sie müssen strategisch vorgehen.- Informieren Sie sich vorher: Lesen Sie die Hausordnung. Manche WEGs haben spezielle Regeln für Balkonnutzung.
- Recherchieren Sie Lösungen: Wählen Sie ein System, das rückbaufähig ist. Hersteller wie Glasbau Mitterer oder Markilux bieten Modelle an, die ohne Bohren montiert werden. Das erhöht Ihre Chancen.
- Legen Sie konkrete Pläne vor: Reichen Sie Fotos, Maße, Materialien und Montagepläne ein. Zeigen Sie, dass Sie die Fassade nicht beschädigen. Geben Sie an, ob Bohrungen nötig sind - und wenn ja, wo und wie tief.
- Vermeiden Sie Farbkonflikte: Weiße, silberne oder anthrazitfarbene Markisen und Glasprofile sind meist unproblematisch. Bunte, metallische oder künstlerisch gestaltete Lösungen werden oft abgelehnt.
- Warten Sie die Anfechtungsfrist ab: Nach dem Beschluss der WEG haben andere Eigentümer einen Monat Zeit, dagegen zu klagen. Erst danach sollten Sie mit der Installation beginnen. Sonst riskieren Sie, dass die Markise oder Verglasung wieder entfernt werden muss - und Sie zahlen für den Rückbau selbst.
Einige WEGs lehnen Anträge ab, weil sie Angst vor Folgekosten haben: Was, wenn später ein Nachbar auch eine Markise will? Oder wenn die Fassade beschädigt wird? Hier hilft Transparenz. Zeigen Sie, dass Sie die Kosten tragen, dass Sie die Montage durch einen Fachmann durchführen lassen und dass Sie die Rückbaukosten übernehmen, falls nötig. Das beruhigt die Gemeinschaft.
Was passiert, wenn Sie ohne Genehmigung installieren?
Wenn Sie ohne Zustimmung eine Markise oder Verglasung anbringen, dann riskieren Sie mehr als nur Ärger. Die WEG kann Sie verklagen. Ein Gericht kann Sie dazu verurteilen, die Installation zu entfernen - und zwar auf Ihre Kosten. Das kann leicht 1.500 bis 3.000 Euro kosten, je nachdem, wie aufwendig der Rückbau ist.Und das ist nicht alles: In manchen Fällen müssen Sie auch Schadensersatz zahlen, wenn die Fassade beschädigt wurde. Oder wenn die Installation den Wert der Wohnung anderer Eigentümer mindert - etwa weil sie das Erscheinungsbild des Hauses ruinieren. Ein Fall aus Hamburg aus dem Jahr 2023 zeigte: Eine bunte, große Markise führte dazu, dass die Mietpreise in der Nachbarwohnung sanken. Der Eigentümer musste 12.000 Euro Schadensersatz zahlen.
Ein weiteres Risiko: Wenn Sie die Wohnung verkaufen wollen, müssen Sie den Käufer über alle baulichen Veränderungen informieren. Wenn die Markise oder Verglasung nicht genehmigt war, kann der Käufer den Kauf stornieren - oder einen Preisnachlass verlangen. Kein guter Start in ein neues Zuhause.
Die Zahlen: Wie oft wird genehmigt?
Die gute Nachricht: Die Zustimmungsquote steigt. 2020 lag sie bei 52 Prozent. 2023 waren es bereits 68 Prozent, laut einer Studie des Instituts für Wohnungseigentum. Die WEG-Reform von 2020 hat dazu beigetragen. Eigentümer haben mehr Rechte, und die Gemeinschaften sind offener geworden.Dennoch: 78 Prozent der Eigentümer brauchen mindestens zwei Versuche, bis sie die Zustimmung bekommen. Die häufigsten Ablehnungsgründe? Optische Bedenken (63 Prozent), Angst vor Schäden am Gebäude (28 Prozent) und die Sorge, andere Eigentümer unfair zu benachteiligen (9 Prozent).
Die gute Nachricht: Wenn die WEG zustimmt, dann macht sie in 82 Prozent der Fälle konstruktive Vorschläge - etwa zur Farbe, zur Größe oder zur Montageart. Das ist kein Widerstand, sondern eine Zusammenarbeit. Viele WEGs haben inzwischen eigene Richtlinien für Balkonverglasungen und Markisen entwickelt - als Musterlösung für alle.
Was kommt als Nächstes?
Die Rechtslage ist noch nicht endgültig geklärt. Das Landgericht Berlin sagt: Klemmmarkisen ohne Bohren sind erlaubt. Das Amtsgericht München sagt: Nein, auch die brauchen Zustimmung. Der Bundesgerichtshof (BGH) wird voraussichtlich 2024 eine einheitliche Entscheidung treffen. Parallel dazu arbeitet der Bundestag an einer neuen Gesetzesänderung, die bis Ende 2024 in Kraft treten soll. Geplant ist eine klare Unterscheidung zwischen "marginalen" und "wesentlichen" baulichen Veränderungen.Bis dahin bleibt: Wenn Sie unsicher sind, holen Sie sich eine rechtliche Beratung. Ein Anwalt, der sich auf WEG-Recht spezialisiert hat, kostet oft nur 150 bis 300 Euro für eine Einzelberatung. Das ist günstiger als eine gerichtliche Auseinandersetzung.
Was Sie jetzt tun sollten
1. Prüfen Sie: Ist Ihre Markise oder Verglasung rückbaufähig? Hat sie Bohrungen? Welche Farbe hat sie? 2. Recherchieren Sie: Gibt es in Ihrer WEG bereits eine Regelung? Haben andere Eigentümer schon eine Markise installiert? 3. Sprechen Sie mit der Verwaltung: Fordern Sie die Hausordnung an. Fragen Sie nach dem nächsten Eigentümertag. 4. Machen Sie einen detaillierten Antrag: Mit Fotos, Maßen, Materialangaben und dem Hinweis, dass Sie die Kosten tragen und den Rückbau übernehmen. 5. Warten Sie ab: Nach der Zustimmung mindestens einen Monat, bevor Sie loslegen.Ein Balkon ist mehr als nur ein Ort zum Blumenstellen. Er ist ein Teil Ihres Zuhauses - und auch ein Teil des Gebäudes, das Sie gemeinsam mit anderen besitzen. Wer respektvoll und transparent vorgeht, bekommt die Genehmigung. Wer sich durchsetzen will, riskiert mehr, als er gewinnt.